Samenvatting
Welche Bedeutung griechische Münzbilder in der Antike hatten, ist in der Forschung vielfach hinterfragt und äußerst divergent beantwortet worden. Selten sind Münzen und deren Bildmotive zeitlich und regional übergreifend untersucht worden, denn meist stehen ikonografische Betrachtungen von einzelnen Münztypen innerhalb eines eng umrissenen Zeitraums im Vordergrund. Ulrike Wolf legt mit ihrer Dissertationsschrift „Vernetzte Bilder“ eine Arbeit vor, bei der die Diskussion der Rolle von Münzbildern innerhalb des Machtdiskurses im gesamten westlichen Mittelmeerraum von 500-100 v. Chr. im Fokus steht. Um zu einem umfassenden Verständnis für die Entwicklung der frühen Münzen und ihrer Funktion zu gelangen, eignet sich der westliche Mittelmeerraum in ganz besonderer Weise. So führten ab dem 8. Jh. v. Chr. langjährige Handelskontakte zwischen iberischen, italischen, etruskischen, griechischen und phönizischen Kaufleuten und Bevölkerungsgruppen zu dedizierten Gründungen von Handelsniederlassungen (ἐμπόρια) und Siedlungen (ἀποικίαι). Ab 500 v. Chr. wird die Region jedoch wiederkehrend durch das Eingreifen externer Machtzentren wie zum Beispiel Athen, Rom und Karthago destabilisiert. Zeitgleich setzt nun auch im gesamten westlichen Mittelmeerraum eine umfang- und variantenreiche Münzprägung ein, die eine Untersuchung darüber ermöglicht, ob und wie Münzen zur Kommunikation über Machtverhältnisse, Abhängigkeiten und Allianzen eingesetzt werden. Die vorliegende Publikation zeichnet sich insbesondere durch die Berücksichtigung des lokalen Kontexts und der überregionalen Verbreitung der Bildträger aus. Auf der Grundlage des Verständnisses der „longue dureé“ sowie der Kombination aus quantitativer Analyse und qualitativer Untersuchung besonders signifikanter Beispiele ergibt sich ein tieferes Verständnis der Bildfindungsprozesse in der griechisch-römischen Antike. Das Vorgehen, das Münzbild nicht isoliert anhand der Prägestätte zu betrachten, sondern alle beteiligten Orte als Teilnehmer in einem mediterranen Netzwerk zu verstehen, ist nicht zuletzt auch im Sinne globale Märkte und Strukturen, ein Thema unserer Zeit. English abstract Greek coins from antiquity are well known for their fascinating and elaborately executed design. While research on the iconography of specific types of coins, minted within a limited timeframe, is still the gold standard, an analysis of key imagery on a supra-regional level and over a longer period provides a more promising approach to questions of image emergence. In this thesis “Entangled Images”, Ulrike Wolf demonstrates the usefulness of a discussion, that focusses on the role coin images have played in the discourse of power of the Western Mediterranean area from 500—100 BC. To understand the processes that lead to the emergence of these images on coins, the author combines quantitative and qualitative methods of analysis and applies a longue durée perspective. Starting with the local contexts of image production, she follows the supra-regional spread of the iconography in the Greco-Roman world. Contents: 1 Einleitung 1.1 Zeitlicher, geographischer und fachlicher Rahmen 1.2 Anmerkungen, Definitionen und Abgrenzungen 2 Numismatische Aspekte, Materialbasis und Analysemethoden 2.1 Numismatische Aspekte – Metall, Schrift und Zirkulation 2.1.1 Legende 2.1.2 Avers/Revers und Links/Rechts 2.1.3 Zirkulation/Überprägung/Imitation 2.1.4 Gestaltung/Stil/Künstler 2.2 Materialbasis, Methodik und Auswertung 2.2.1 Datenerfassung 2.2.2 Quantitative Analyse und Auswahl der Fallstudien 2.2.3 Qualitative Analysen 3 Historische Aspekte und Forschungssituation 3.1 Historische Verortung – der westliche Mittelmeerraum als Schmelztiegel mit Konfliktpotential 3.2 Forschungsgeschichte – von der Sammlung zur Analyse 3.3 Geld und Münzen – multifunktionales Metall mit Zeichencharakter und Botschaft 3.3.1 Tausch und Handel 3.3.2 Politik 3.3.3 Religiöse und soziale Komponenten 3.3.4 Profit 3.3.5 Staatsausgaben 3.3.6 Diverse parallele Funktionen 3.3.7 Die Münze als Bild- und Kommunikationsmedium 4 Bild- und Kommunikationstheoretische Aspekte 4.1 Sehen, Wahrnehmen, Bewerten 4.2 Bildtheorien – Analyse und Reflexion von Bildern 4.3 Kommunikationstheorien – Senden und Empfangen von Botschaften 4.4 Middle Ground und Netzwerkanalyse – Transfer, Selektion und möglicher Bedeutungswandel 4.5 Material Culture Studies – die Münze als Objekt 5 Generelle Beobachtungen 5.1 Gründungsstatus 5.2 Metall 5.3 Legende 5.4 Bildschema/Themen 5.5 Stil und Motivgestaltung 6 Der Adler – zwischen Götterattribut und Herrscherikonographie 6.1 Allgemein 6.2 Adlerkopf 6.3 Adler, fliegend 6.4 Adler, sitzend 6.4.1 Auf Säule 6.4.2 Auf Oliven- oder Lorbeerzweig, Schädel oder Stein 6.4.3 Auf Blitzbündel sitzend 6.4.4 Ohne Angaben des Standobjektes 6.5 Adler, mit Beutetier in den Fängen oder im Schnabel 6.5.1 Schlange als Beutetier 6.5.2 Hase als Beutetier 6.5.3 Fisch als Beutetier/unklare Beute 6.6 Gesamtbetrachtung 7 Athena – beliebte Göttin im lokalen Gewand 7.1 Kopfbilder 7.1.1 Athena, Kopf mit attischem Helm 7.1.2 Athena, Kopf mit korinthischem Helm 7.1.3 Andere Helmformen 7.1.4 Attisch oder korinthisch – Vergleich und Abgrenzung 7.2 Ganzfigurige Athena-Darstellungen 7.2.1 Stehende Athena 7.2.2 Schreitende Athena 7.2.3 Stehend oder schreitend – Vergleich und Abgrenzung 8 Dionysische Themen – im Kontext von Religion und Wirtschaft 8.1 Dionysos 8.2 Traube 8.3 Satyr 8.4 Kantharos 8.5 Thyrsosstab 8.6 Gesamtbetrachtung 9 Flussgötter – Personifikationen in verschiedenen Körpern 9.1 Flussgott in Menschengestalt 9.2 Flussgott als androkephaler Stier 9.3 Vergleich und Abgrenzung 10 Gespann-Darstellungen – vom Agon zur Siegerikonographie 10.1 Allgemein 10.2 Münzbilder 10.2.1 Sizilien 10.2.2 Italische Halbinsel 10.3 Auswertung 10.3.1 Stilistische Anmerkungen und ikonographische Parallelen 10.3.2 Quadriga oder Biga 10.3.3 Lenker 10.3.4 Einordnung in den Kontext hippischer Agone 10.4 Gesamtbetrachtung 11 Opfer am Altar – Epiphanie als lokales Phänomen 11.1 Apollon 11.2 Herakles 11.3 Hermes 11.4 Demeter 11.5 Athena 11.6 Oikistes 11.7 Flussgott 11.8 Libierende Frauenfiguren 11.9 Sonstige Opfer-Darstellungen 11.10 Gesamtbetrachtung 12 Ergebnisse 12.1 Bildfindung – Innovation, Anlehnung oder Kopie 12.1.1 Singuläre Bilder 12.1.2 Bildübernahme 12.1.3 Gründe für die Auswahl eines Bildes 12.2 Ergebnisse unter bild- und kommunikationstheoretischen Aspekten 12.2.1 Sehen, Wahrnehmen, Bewerten 12.2.2 Alte Bilder, neue Bedeutung 12.2.3 Die Münze als Übertragungskanal 12.2.4 Kulturelle Schnittstellen und Verbreitungsmechanismen 12.3 Zusammenfassung 12.4 Die Münze als Bild- und Kommunikationsmedium im Kontext der Machtdynamik im westlichen Mittelmeerraum Anhang Datenerfassung Statistische Analyse Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis